„Hervorragend, David“, sagte der Oberst. Er saß hinter einem Schild mit der Aufschrift „Kontaktsoldat Oberst Eizenkot“. „Wenn sich noch mehr Wehrpflichtige mit so beeindruckenden Beurteilungen, wie du sie erreicht hast, als Berufssoldaten meldeten, hätten wir das Großreich längst errichtet.“
David hatte sich gegen ein Studium an einer zivilen Universität und für die Armee entschieden, für den Frieden, die Sicherheit. „In welche Abteilung unserer Streitkräfte darf ich dich eintragen?
… Die Folterkette schlug sich in den Oberschenkel des Gefangenen. Während Oberst Eizenkot sie langsam zurückzog, riss sie tiefe Fleischwunden. David erschrak beim Anblick der Sehnen und Venen, Blut überströmte sie. Aber er ließ sich nichts anmerken, gleich dem Gefolterten, der nur dastand, gefesselt an die verrostete Stahlsäule, die Augen geschlossen.
„Befehlen Sie, einen Sanitäter anzufordern, Herr Oberst?“, fragte David. „Wenn er verblutet, finden wir die Geheimwaffe nie.“
„David“, schrie Eizenkot, „dieser Goi wird ausgequetscht, bis wir das Versteck kennen. Ich verlange eisernen Willen, denke an deinen Kibbuz.“
Der Oberst hatte recht, dies wusste David, jeder wusste es. Ohne diese Waffe würde es keinen Frieden geben, würden die Feinde nicht besiegt werden. Ein Spezialkommando hatte diesen Jungen gefangen genommen, von dem die Rabbiner behaupteten, er würde das Versteck von „Ultimach“ kennen, wie die Waffe in Soldatenlegenden genannt wurde. Eine Vision hätte es den Rabbinern offenbart. Aber der Junge sprach nicht, schrie nicht, stöhnte nicht.
David verabscheute Folter, alles in ihm zog sich zusammen, aber er sah keinen anderen Weg. Erneut schlug Eizenkot zu, traf diesmal den nackten Rücken. Wie in Rage peinigte er ihn, quälte damit aber nur David.
„Sinnlos“, murmelte Eizenkot. Der Schweiß tropfte ihm vom Kinn. „Aber niemand kann sich gegen Stuxneuro wehren.“
„Stuxneuro? Gibt es dieses Folterwerkzeug wirklich?“, fragte David fassungslos.
Eizenkot lachte: „Was denkst du denn! Du dürftest nichts davon erfahren, aber die Zeiten haben sich geändert. Ich werde es runterbringen, du bewachst solange diesen Abschaum. Seine Waden sehen mir noch reichlich unverletzt aus, das sollte sich ändern …“ Er stieg die Kellertreppe hinauf, David blieb mit dem Gefangenen allein.
Er hielt es nicht mehr aus: „Bitte, bitte, verrate mir schnell, wo du sie versteckt hast. Sonst wird der Oberst dir Stuxneuro aufschnallen, es wird deine Gedanken aus deinem Hirn ziehen wie einzelne Fäden, bis dein Selbst verloren ist. Dann bleibt von dir nur eine Hülle übrig, deines Verstandes beraubt, so heißt es.“ Der Junge rührte sich nicht.
„Du weißt, warum der Oberst so verzweifelt ist: Unsere Eltern haben dieses Land in den Ruin getrieben. Ohne die Waffe wird sich hier alles ändern, wir benötigen sie unbedingt! Du musst uns hassen, den Oberst besonders. Allein die ohnmächtige Sorge um die Zukunft zwingt ihn, dich zu foltern. Er ist eigentlich ein gottergebener Mensch, herzensgut.“
Plötzlich schlug der Junge seine Augen auf, blickte tief in Davids Seele. Lichtstrahlen schossen ihm aus den Pupillen, das gleißende Weiß traf Davids Netzhaut. David war geblendet, sah nichts als Helligkeit, wollte sich losreißen. Da bemerkte er im Licht die Umrisse eines Mannes, erst verschwommen, dann deutlich: Oberst Eizenkot. Bei ihm stand eine Frau, es war seine Ehefrau. Aber was war das? Sie schrie, rannte durch die Wohnung, und er verfolgte sie mit einem Schlagstock. David verstand nicht, was er sah. Dann wurde ihm die Säule gezeigt, dieselbe Stahlsäule, an welcher der Junge gefesselt stand. Eizenkot trat ins Bild, zerrte seine junge Sekretärin zur Säule. Ihre Kleider waren zerrissen, sie schrie, weinte und schlug um sich, er vergewaltigte sie. Der Junge schloss seine Augen, die Lichtstrahlen erloschen. David brach zusammen.
„Steh auf, David“, sagte seine weiche Stimme. „Du bist kein bösartiger Mensch. Ich zeige dir, wo die Geheimwaffe liegt.“
So stand David auf und schaute ihm ängstlich in die Augen, die Lichtstrahlen trafen ihn erneut: Er sah sich selbst, regungslos, nichts geschah. Fragend blinzelte er durch die Lichtstrahlen zum Jungen. „Sieh genauer hin!“
David tat, wie geheißen. Er sah sein eigenes Herz, sah deutlich, wie es schlug, die Muskeln und Adern, das Blut. Mit einem Mal zersplitterte das Herz, die Splitter formten sich zu Szenen aus aller Welt: Ein Mädchen umarmt und küsst ihren Vater. Ein alter Mann hält die Hand seiner sterbenden Ehefrau, beide lächeln. Ein Mädchen spendet einem Hungernden. Ein junges Elternpaar umsorgt voller Glück sein Neugeborenes. Ein Soldat erschießt einen kleinen Jungen, weil dieser einen Stein wirft. Ein Bulldozer plättet ein Dorf verarmter Menschen. Bruder schlachtet Bruder. Ein Satan heuchelt von der Gefahr für den Weltfrieden. Die Bilder zersplitterten erneut, es formte sich zurück sein Herz, die Lichtstrahlen erloschen. „Begreifst du endlich, wo die Geheimwaffe liegt?“
Eizenkot kam zurück, in seinen Armen hielt er einen Helm mit vielen Drähten. „Du Judas!“, schrie er. „Wo ist der Gefangene?“ David drehte sich zur Säule um: Der Junge war verschwunden. „Du hast uns alle verraten, verrecken sollst du!“, sagte Eizenkot, zog seine Waffe und schoss. …
„Träumst du, junger Mann“, sagte der Oberst am Schreibtisch, „oder kannst du dich nicht entscheiden?“ David war orientierungslos. „Ich muss mir alles noch mal durch den Kopf gehen lassen“, sagte er und ging.
Autor: Huseyin Özoguz
Link: Die Geheimwaffe – Schia-Blog