Giftspritze Kultur: Westliche Invasion der Geschichte und Gegenwart

Der Westen überschwemmt die islamischen Länder nicht erst seit gestern mit seiner Kultur. Die aktuelle Debatte um die Kulturinvasion hätte eigentlich schon vor mehr als hundert Jahren geführt werden müssen. Daher können wir schon an dieser Stelle mindestens einen Fortschritt feststellen: eine größere Aufmerksamkeit aufseiten der Muslime.

Zu den eindeutigsten Beispielen einer verwestlichten Gesellschaft gehört die heutige Türkei. Das Osmanische Reich war sicher nie das „islamischste“, doch es stand immerhin in der Tradition der islamischen Reiche, die sich als „islamisches Herrschaftsgebiet“ betrachteten. Umayyaden, Abbasiden, Buyiden, Seltschuken, Safawiden und Osmanen – sie alle beließen den Islam als Staatsreligion und verpflichteten sich seinen Werten (zumindest gegenüber der Öffentlichkeit).

Die Zeit aller Weltreiche läuft irgendwann einmal ab und so wurde das Ende des Osmanischen Reiches 1922 besiegelt. Doch dieses Mal gab es kein Nachfolgesystem, das sich dem Islam verpflichtet sah. Stattdessen gab es die Türkische Republik unter Mustafa Kemal Atatürk, der die größte Verwestlichung der Gesellschaft in Windeseile durchführte.

Schleichende Invasion

In Wahrheit fing die Verwestlichung nicht erst mit Atatürk an. Sultan Mahmud II. verpflichtete schon 1827 seine Beamten zum Tragen westlicher Kleidung. Es gab allerdings große Proteste und er ging als „der ungläubige Sultan“ in die Geschichte ein. Man lernte daraus: Viele kleine Schritte fallen weniger auf, große Schritte wecken Widerstand. Im Verlauf von 100 Jahren wurde die muslimische Gesellschaft Schritt für Schritt von westlicher Kultur unterwandert. Zu Atatürks Zeiten waren die Proteste nicht mehr so groß, sodass sie ohne Folgen für Staat und Regierung gewaltsam niedergeschlagen werden konnten. Westliche Kleidung, westliche Nahrung, sogar westliche Schrift waren plötzlich Pflicht. Islam wurde als unmodern und religiöse Menschen als unzivilisiert abgetan. Dem Westen nachzueifern wurde zur Staatsräson.

Im Iran versuchte der Schah Reza Khan sich ein Beispiel an Atatürk zu nehmen und sein Land kulturell, wirtschaftlich und politisch westlich zu orientieren. 1935 wurden die traditionelle Kleidung für Beamte verboten und schon ein Jahr darauf auch der Tschador auf der Straße. Proteste wurden gewaltsam niedergeschlagen. Doch die Bevölkerung war nicht bereit dem Islam abzuschwören. Sei es aufgrund ihrer geografischen Lage (weiter weg von Europa) oder weil eine andere Dynastie herrschte: Die Iraner wurden auf diese Verwestlichung nicht gut vorbereitet, sodass der Schah für seine Bemühungen zur Verwestlichung großen Widerstand erfuhr und schließlich – im Nachhinein betrachtet – keinen Erfolg hatte.

Politischem Einfluss geht kultureller Einfluss voraus

Kulturelle Abhängigkeit hängt immer mit wirtschaftlicher und politischer Abhängigkeit zusammen. Heute ist die Türkei nicht nur kulturell, sondern auch politisch vom Westen abhängig, während der Iran seine politische Abhängigkeit durch eine Rückbesinnung auf die islamische Kultur sogar ablegen konnte.

Auch andere Nationen würden stark davon profitieren die US-amerikanische Kultur („American Way of Life“) abzulegen. Beispielsweise ist unser Konsumverhalten ein Schlüsselelement in einem System der Ausbeutung jedes Einzelnen, wie hier schön beschrieben wird.

Gesellschaften und Staaten, die sich für unabhängig halten, werden durch die kulturelle Abhängigkeit zu Kolonien der Ausbeuterstaaten. Jacob E. Mabe, Politikwissenschaftler und Professor an der FU Berlin, beschreibt es so: „Der Neokolonialismus äußerte sich besonders in der Politik Großbritanniens und Frankreichs. Beide Staaten entließen ihre ehemaligen Kolonien ab den 1960er Jahren zwar formal in die politische Unabhängigkeit, behielten dennoch ihre Ideologie einer kulturellen Assimilation oder Bindung bei und beuteten die Länder auch weiterhin systematisch aus.“

Dieser kurze Ausflug in die Geschichte soll verdeutlichen, wie sehr die Unabhängigkeit mit der Kultur zusammenhängt.

Der Angriff

Seitdem der Iran sich durch die Islamische Revolution vom Westen trennte und unabhängig wurde, versuchen die USA dort mit aller Macht wieder Fuß zu fassen. Der „harte Krieg“ hat nicht funktioniert. Jetzt versuchen sie es über den „sanften Krieg“. Zwar sind alle muslimischen Länder von Medienpropaganda betroffen, doch der Iran ganz besonders: 55-85 Millionen Dollar werden jedes Jahr von den USA bereitgestellt, um westliche Kulturelemente innerhalb Irans zu fördern. Mehrere Fernsehsender werden von den USA und von England aus in persischer Sprache ausgestrahlt, um die Bevölkerung zu erreichen. Es ist ein sanfter Krieg, in dem der Iran bisher nur in der Defensive stand. Rap, Pop, Coca-Cola, zerschlissene Jeans, Nacktheit, Mode, Schönheits-OPs: Es ist kein Wunder, dass der eine oder andere nach Jahren auf diese massive Propaganda hereinfällt. Der sanfte Krieg gehört zu den gefährlichsten für die Islamische Republik.

Wie schützt man sich?

In diesem Zusammenhang muss man auch die Hidschab-Pflicht im Iran betrachten. Hidschab ist das wichtigste Mittel zur Abwehr gegen feindliche Kulturen. Denn wie oben erwähnt, ist das erste Angriffsziel die islamische Kleidung. Wer über die sogenannte Hutrevolution von Atatürk Bescheid weiß, versteht auch, wieso Imam Chamene’i seinen Befolgern verboten hat die Krawatte zu tragen. Imam Chamene’i sagt zum Thema Kleidung:

„Es ist nicht erlaubt die Kleidung zu tragen, deren Stil, Farbe, etc. als Imitation und Verbreitung der invasiven Kultur der Nichtmuslime gilt. Es ist nicht erlaubt Schmuck auf eine Art zu tragen, sodass es als Imitation der Kultur der Feinde des Islams und der Muslime betrachtet wird.“

Auch wenn es sich hierbei um ein Gebot handelt, dessen Einhaltung jeder Einzelne für sich selbst überprüft, und nicht die Gesellschaft, zeigt es ganz klar die Rolle der islamischen Kleiderordnung in der Abwehr der invasiven westlichen Kultur.

Die islamische Welt ist seit über 100 Jahren damit beschäftigt sich gegen den Einfluss der westlichen Kultur zu wehren. Meistens ohne Erfolg. Doch heute, in der Zeit des Islamischen Erwachens, haben wir erstmals in der jüngeren Geschichte die Möglichkeit eine Wende einzuläuten und uns nicht mehr allein auf die Abwehr der kulturellen Einflüsse zu konzentrieren.

Islamische Zivilisation

Imam Chamene’i hat kürzlich erst betont: „Heute ist der Islam an der Reihe“, und zitierte aus dem Qur’an:

„Solche Tage (des Triumphs) teilen Wir den Menschen abwechselnd zu.“ (3:140)

In der gleichen Rede fordert er die muslimischen Geistlichen dazu auf, eine islamische Zivilisation aufzubauen, die das Beste aus den bestehenden Zivilisationen vereint und obendrein auf Spiritualität basiert.

Eine weitere bemerkenswerte Ankündigung machte er hier:

„Dieses Jahrhundert ist das Jahrhundert des Islam.“

Weitsichtig erklärte er schon 1393 (ab März 2014) in seiner Neujahrsansprache das Jahr zum „Jahr der Wirtschaft und Kultur (…)“ und beabsichtigte damit „eine Kultur, die die Richtung in unserem Land (…) bestimmen kann“. Dabei machte er sofort klar, dass diese Kultur nur mithilfe der Bevölkerung entstehen und nicht von oben herab bestimmt werden kann.

Der Beitrag des Einzelnen

Als Muslime müssen wir unser Bewusstsein für das Thema schärfen und unsere Denkweise verändern. Indem wir der islamischen Kultur treu sind, unterstützen wir den Aufbau der islamischen Zivilisation. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir im Westen leben oder in den islamischen Ländern.

Wenn wir den westlichen Lifestyle mitleben wollen, erschweren wir unseren muslimischen Geschwistern in den muslimischen Ländern den Abwehrkampf gegen die Kulturinvasion. Wenn wir hingegen auf den westlichen Lifestyle bewusst verzichten, demaskieren wir ihn als nutzlos und unterstützen dadurch die Bemühungen des Abwehrkampfes. Gleichzeitig fördern wir die islamische Kultur in unserem eigenem Umfeld.

Gemäß Imam Chamene’is Analyse wird die islamische Kultur in ihrer Verbreitung zunehmen, inschallah. Lasst uns die Gelegenheit ergreifen, ein Teil dieser neuen islamischen Zivilisation sein.