Einige Muslime fragen sich, ob Tiere in einen muslimischen Haushalt gehören. Viele Muslime halten keine Haustiere. Aber sind Muslime jetzt weniger tierlieb oder gar tierfeindlich? Sind Haustierhalter oder Tierzüchter tierlieb? Und was sagen die Vierbeiner dazu?
Weshalb halten nur die wenigsten Muslime Haustiere? Für einige Muslime machen Katzenhaare auf der Gebetskleidung das Gebet ungültig. Auch gelten Hundeschnauzen religionsrechtlich als unrein. Dies erschwert es vielen Muslimen, ein Haustier zu halten und gleichzeitig auf rituelle Reinheitsgebote zu achten.
Eine weitere Erklärung wäre: aus gesundheitlichen und hygienischen Gründen. In einigen medizinischen Studien wird davon abgeraten, Tiere im Haushalt zu halten. So haben Kinder und Ältere mit einem schwachen Immunsystem und Schwangere ein erhöhtes Risiko einer sog. zoonotischen Erkrankung (eine Infektion, bei der der Erreger zwischen Haustier und Mensch übertragen wird). Einige Tiere gehen raus und wer weiß, wohin sie gekrochen, woran sie gerochen, womit sie gestochen oder was sie im Wohnzimmer gebrochen haben.
Aber was ist mit den Studien, die vermuten, dass Haustiere die Anfälligkeit an Allergien zu erkranken reduzieren? Oder dass sich Haustiere positiv auf die Psyche auswirken (vor allem bei einsamen Älteren) und zu mehr Bewegung anregen (durch das Gassigehen).
Ich meine, dass Haustiere nicht in einen muslimischen Haushalt gehören. Nicht nur aus gesundheitlichen oder hygienischen Gründen. Sondern aus ganz anderen Gründen.
Warum werden Haustiere überhaupt gehalten? Einige, die mit einem Kampfhund an der Leine rumlaufen, tun dies als Statussymbol oder gar als Waffe (Zuhälter-Gehabe). Als ob es erstrebenswert wäre, wie ein Zuhälter auszusehen oder anderen mit einem Hund Angst einzuflößen. Andere wiederum halten Haustiere als Kinderersatz. Sind doch Hunde und Katzen so viel pflegeleichter als sabbernde, kreischende, klebrige Kinder. Statt Kinder holt man sich dann lieber sabbernde, bellende, stinkende Hunde ins Haus.
Es sprechen meiner Meinung nach viele Gründe dafür keine Haustiere zu halten. Auch wenn sich Haustierhalter für tierlieb halten; ein Blick in die Zutatenliste vom Hunde- oder Katzenfutter genügt. In einer Dose Hundefutter befindet sich ein ganzer Tierfriedhof. Damit der eigene Hund leben kann, müssen tausende Tiere sterben. Ist das tierlieb? Selbst Vegetarier geben ihrem Hund nur das Beste vom Rind. Kein Wunder, dass die weltweite Fleischproduktion ansteigt und ganze Wälder gerodet werden, um Tiere für die Tierfutterproduktion zu züchten.
Die Summen, die ein Haushalt für ein Haustier ausgibt, könnten arme und hungernde Menschen dringender gebrauchen, als eine Katze, die selbst auf die Jagd gehen kann und bestimmt nicht verhungert. Die Kosten für einen Tierarztbesuch könnte ein krankes Kind in Afrika wieder gesunden. Die Aufmerksamkeit, die ein Hund erhält, täte einem Waisenkind gut. Die Sorgen, die Haustierhalter um ihre Katzen haben, wenn sie mal ausreißen, sollten diese lieber auf Menschen in Not umlenken. Schon eigenartig: Menschen hungern, Tiere werden wider ihre Natur im Haus gehalten. Menschen betteln darum ins Haus gelassen zu werden, sie bleiben aber draußen. Tiere wollen unbedingt raus, werden aber drinnen gehalten.
So werden Unmengen an Geld, Liebe und Zuneigung an Haustiere verschwendet, anstatt sie Menschen zu kommen zu lassen, die es dringend benötigen. Ein Muslim hat nichts gegen Tiere, aber ein Mensch hat Vorrang. Denn hätte jeder Mensch genug Geld, Liebe und Zuneigung, dann würde auch kein Tier leiden müssen.
Tiere fühlen sich in Freiheit sowieso viel wohler. Auch wenn man es ihnen in Freiheit nicht ansieht. Um diese These zu untermauern, habe ich hierzu eine empirische Studie durchgeführt und einen Straßenhund in Istanbul interviewt. An einem Abendspaziergang mit meiner Ehefrau liefen wir mit einem Eis in der Hand auf den Bürgersteig. Vor uns lag ein Straßenhund und versperrte uns den Weg. Als er uns von Weitem kommen sah, stand er auf und machte uns den Weg frei (sowie die Volksbanken-Raiffeisenbanken). Als wir vorbeigingen, kam er zurück und legte sich wieder auf dieselbe Stelle. Ich fand diese Geste so schön von ihm, dass ich zu ihm ging und um ein Interview bat. Ich fragte ihn, ob er die These teilt, dass sich Tiere in Freiheit wohler fühlten. Seine Antwort hatte ich zwar erwartet, sie hat mich aber dennoch überrascht. Er schaute mich mit müden Augen an und sagte: „Wuff!“