Leid Afrikas keimt in den kapitalistischen Staaten

Wer satt ist, wird nie einen Hungernden verstehen„, so ein russisches Sprichwort. Warum fehlt vielen, was wenige vielfach haben? Die Satten haben bereits alles satt. Was sollen erst die Hungrigen sagen? Es geht soweit, dass Elternprobleme in Deutschland wie folgt ausschauen: „Wie bringen wir das Kind dazu, nicht mit vollem Mund zu essen?“ Und in den Entwicklungsländer: „Wie füllen wir den Mund des Kindes?“ Täglich werfen unsere Haushalte in Deutschland Tonnen von Lebensmitteln in den Müll und in Afrika sterben täglich tausende den Hungertod.

Nur wie kam es dazu, dass der Schwarze Kontinent, einst die Wiege der Menschheit genannt, heute das ärmste Kontinent ist? Wie kann es sein, dass obwohl 70 Prozent der Afrikaner in der Landwirtschaft arbeiten, dennoch 250 Mio. Menschen in Afrika an Unterernährung leiden?

Nun das Leid Afrikas keimt in den kapitalistischen Staaten. Erst wird, in den kapitalistischen Staaten, Weizen angebaut. Er reicht für die örtliche Versorgung, auch für die nahe Kreisstadt. Die Bauern haben ihr Auskommen, die Städter ihr Brot. Aber das darf es eben nicht gewesen sein. Andere wollen schließlich auch verdienen. So kommt die Chemie und dreht dem Landwirt Dünger auf. Der erntet plötzlich mehr, als seine Umgebung zum Satt werden braucht. Da er nicht darauf sitzenbleiben soll und die Bauern schließlich eine wichtige Wählergruppe sind, springt der Staat ein, zahlt Garantiepreise und bunkert die Körner in riesigen Lagerhäusern.

Die aber müssen von Zeit zu Zeit geleert werden, denn von den Feldern drängen neue Tonnen nach. Die Chemie ist nicht faul. Manche Bauern ernten gar schon zweimal im Jahr. Also, was tun? Schließlich können doch nicht immer weitere Lagerhäuser gebaut werden. Die Nachbarländer kommen als Abnehmer auch nicht in Frage, sie haben inzwischen die gleichen Probleme. Wohin mit den Überschüssen?

Und wo soll denn die Überproduktion aus Europa und Nordamerika hin? Etwa in teure Lagerhäuser, wo sie verrottet? Nein, da wird der Weizen lieber dorthin geschüttet, wo Mangel herrscht: in die 3. Welt, nach Afrika. Da haben die was davon, aber wir mit unserem kapitalistischen Räderwerk eben noch ein bisschen mehr.

Die Hilfe stützt unser kapitalistisches System auf nachhaltige Weise. Denn die überquellenden Lagerhäuser würden sonst vielleicht die Grundfesten unserer Marktwirtschaft zum Bröckeln bringen. Ohne steigende Nachfrage müssten wir das Produktionssystem ändern. Da ist es doch allemal besser, wir schaffen uns welche. Warum nicht auf Kosten der abhängigen 3. Welt?

Die Industrieländer sitzen auf einem Getreideberg von unvorstellbaren Ausmaßen: mehr als 500 Millionen Tonnen. Das sind 500 Millionen Tonnen die wir über haben. Vor allem die USA und Kanada, aber eben auch die EU forcieren deshalb ganz bewusst die Nahrungsmittelhilfe an Afrika. Denn wenn sich aus Hunger Kapital schlagen ließe, hätten die Kapitalisten sie schon längst ausgerottet.

So fliegen die Säcke auf dem Schwarzen Kontinent ein, solange Dürre und Not herrschen, meist geschenkt, zumindest sehr billig. Die Menschen gewöhnen sich nur zu gerne daran; es ist so viel einfacher und bequemer, die Hand aufzumachen, als sie zum Graben auf dem eigenen Feld zu benutzen. Nur wer immer an die Hand genommen wird, hat nur noch eine Hand frei.

So kommt es, dass selbst wenn wieder Regen fällt, immer weniger angebaut wird, denn wir hören nicht auf, unsere Weizensäcke zu schicken -bei jeder Witterung. Die Folge: Der nichtbearbeitete Boden verkarstet, wird verweht, unfruchtbar, die Katastrophe nimmt unaufhaltsam ihren Lauf. Das Vieh der Bauern stirbt. Das Vieh verdurstet nicht, denn Wasser ist reichlich vorhanden in Afrika, sie verhungert weil kein Gras auf verkarsteten Boden wächst. Das Ende ist, dass wir einen riesigen Markt dazugewinnen, dieser Markt nennt sich: Abhängigkeit. Thomas Sankara (1949-1987), sah es so:

Die Nahrungsmittelhilfe verleitet zu Trägheit, sie gewöhnt die Afrikaner zu Almosenempfänger und schafft Arbeitslosigkeit, so wie in Frankreich an die Clochards Suppe verteilt wird, so tun es die Industrieländer mit den Afrikanern.“ Der Somalier Mohamed Said Samanter sagte dazu: „Die Trockenheit allein kann nicht alles erklären und schon gar nicht das Ausmaß der Katastrophe, die heute und morgen das leben mehrerer Millionen Menschen bedroht. Trotz wiederholter Beteuerungen besteht die Politik der Großmächte in einer Hilfe, die tatsächlich jede Möglichkeit einer ökonomischen und sozialen, einer wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung verhindert auf dass die Diktaturen vor Ort ewig von ausländischer Hilfe abhängig seien.“

Obwohl mehrere afrikanische Staaten sich gegen diese Weizenflut aus den USA, Kanada und der EU wehren, werden weitere Weizenfluten geschickt. Den Afrikanern soll weiß gemacht werden, dass sie diese Hilfe benötige. Im Weltagrarbericht steht im Kapitel „Afrika“, folgendes:

Im Jahr 2020 könnten die Ernten, die vom Regen abhängen, um 50 Prozent verringert sein. Die Landwirtschaft und der Zugang zu Nahrung werden in vielen Ländern ernsthaft beeinträchtigt sein.

Durch solche Berichte soll den Afrikanern weiß gemacht werden, dass ihre Erde unfruchtbar sei und sie auf Nahrungsmittellieferungen angewiesen sind. Die USA, Kanada und die EU belassen es nicht mit der Lebensmittellieferung. Nachdem sie einen Staat von ihren Lebensmittellieferungen abhängig gemacht haben, stellen sie ihrer nächsten Lieferung Bedingungen. Die Weizenlieferung ist nun nicht mehr kostenfrei. Nun werden aus den Weizenlieferungen, die Fäden der Macht gesponnen. Haben abhängige afrikanische Staaten kein Geld, bekommen sie Kredite mit erhöhten Zinseszinsen.

John Block der US-Landwirtschaftsminister von 1981-1986 sagte: „Für die nächsten zwanzig Jahre werden Lebensmittel unsere wichtigste Waffe sein.“ Jesse Helms, der sich gegen die Gleichberechtigung der Schwarzen und Weißen in Amerika stellte, schrieb in „Afrika Now“, Dezember 1984: „Lebensmittelexporte werden die Haupthebel unserer Außenpolitik sein.“

Außenpolitik ist für die kapitalistischen Staaten vor allem Wirtschaftspolitik, Sicherung von Märkten, Abhängigmachen von ganzen Völkern; wie wir bei Afrika sehen, von nahezu einem ganzen Kontinent. Und so steht die 1. Welt wieder als Sinnbild der Menschlichkeit wenn sie durch Hilfe für andere mal wieder sich selbst geholfen hat. Wenn früher Perlen, Patronen und Schnaps die Schwarzen ins Unglück gestürzt haben, so sind es heute die modernen Raubritter mit Weizen, Mais und Milchpulver.

Fakt ist: Wir (mit unserem kapitalistischen System) haben Afrika Unterentwickelt. Nun wird auch klar weshalb Entwicklungsländer so genannt werden. Entwicklungsländer werden Entwicklungsländer genannt weil die kapitalistischen Länder sich auf ihre Kosten entwickeln. Über die Jahrhunderte hinweg, sind viel mehr Reichtümer aus Afrika zu uns ausgeführt worden als in die umgekehrte Richtung.