Der Verfassungsschutz erklärt ständig, dass bestimmte Personen oder Organisationen möglicherweise in verfassungsfeindlicher Weise aktiv sind und aufgrund dessen unter Beobachtung stehen. Schützt der Verfassungsschutz die Verfassung oder verunglimpft und verurteilt er Personen und Organisationen, ohne jeglichen Beweis?
Schlimmer als die Verdächtigung ist die Tatsache, dass viele andere (wie z.B. Medien) allein die Tatsache, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden, als Bestätigung dafür bewerten, dass jener Verdächtigte gegen die Verfassung handele. Abgesehen davon, dass Deutschland noch gar keine Verfassung hat, ist die Tatsache, dass ein Staatsorgan unrechtmäßig handelt, doch ziemlich befremdlich und scheint gewollt zu sein.
Welchen Zweck hat es, ganz Deutschland zu erklären, wer unter „Beobachtung“ steht? Was soll dieses Verhalten bringen? Dient es dazu, dass ganz Deutschland Abstand von den Verdächtigten nimmt, oder gar (vor)verurteilt? Ob dies bezweckt wird oder nicht, das weiß ich nicht. Ich kann nur darüber spekulieren. Jedoch weiß ich, dass das Verhalten des Verfassungsschutzes dazu führt, dass viele Menschen von den unter Beobachtung stehenden Personen (oder Organisationen) Abstand nehmen und gar diese verurteilen, ohne dass es einen Grund dafür gäbe. Denn die Personen, die unter Beobachtung stehen, haben weder irgendetwas gemacht, noch hat man Beweise dafür, dass sie verfassungsfeindliche Aktivitäten betreiben. Denn wenn man einen Beweis haben würde, würde man diese Menschen nicht mehr beobachten können, da sie im Gefängnis sitzen würden. Oder zumindest würden sie mit stichhaltigen Beweisen vor Gericht gestellt.
Dr. Yavuz Özoguz (Muslim-Markt.de) stand auch jahrelang in den Verfassungsschutzberichten als „Antizionistischer Antisemit“. Was bedeutet dieses Wort? Ist man antisemitisch oder antizionistisch? Oder ist beides dasselbe? Wenn beides dasselbe ist, hat man doppelt gemoppelt. Wenn die beiden Begriffe nicht dasselbe bedeuten, was bedeuten sie dann? Ist man als Antizionist auch gleich Antisemit? Da sieht man, dass der Verfassungsschutz weder etwas aussagt, noch etwas Gutes bewirkt. Er bewirkt nur, dass ein Feindbild geschaffen wird. Er schafft ein Feindbild, welches jemanden, ohne rechtmäßig verurteilt zu sein, als schuldig darstellt.
Der Verfassungsschutzbericht dient damit zugleich zur Integration des Volkes auf die Verfassungsgrundlagen und dazu, den Bürgern vor Augen zuführen, welche politischen Ziele und Verhaltensweisen mit der Verfassung unvereinbar sind. Im Verfassungsschutzbericht werden Personen (oder Organisation) mit dem Makel des Extremismus belegt und amtlich zum Verfassungsfeind erklärt.
Allerdings werden in den meisten Verfassungsschutzberichten nicht nur über erwiesene Verfassungsfeinde berichtet, sondern auch über solche Personen (oder Organisationen), die vom Verfassungsschutz lediglich „verdächtigt“ werden, verfassungsfeindlich zu sein. Diese Praxis ist doch rechtswidrig. Sie verstößt gegen das Grundgesetz und findet zudem in den Verfassungsschutzgesetzen keine Grundlage. Der Verfassungsschutz darf nur über verfassungsfeindliche Bestrebungen berichten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, nicht schon, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie möglicherweise erfüllt sein könnten.
Wenn sich der Nachweis dafür, dass die betreffende Person (oder Organisation) verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, nicht erwiesen ist, ist die Berichterstattung rechtswidrig. Leider ist es heute so, dass schon im Falle des Verdachts eines Verdachts im Verfassungsschutzbericht berichtet wird. In Berlin hat das Oberverwaltungsgericht deshalb die Verdachtsberichterstattung sogar verboten, Gott sei Dank. In Verdachtsfällen ist es doch auch denkbar, dass der Verdacht sich später als unbegründet erweist. Was dann? Gibt es ein Verfassungsschutzbericht des Verfassungsschutzberichtes, der den vorausgegangenen Verfassungsschutzbericht berichtigt? Dr. Yavuz Özoguz zum Beispiel steht seit einem Jahr nicht mehr „unter Verdacht“, was ist geschehen? Hat sich die Verfassung geändert? Oder wurde er zu Unrecht verdächtigt? Wenn ja, wo kann man die Entschuldigung des Verfassungsschutzes lesen?
Wenn es so weiter geht, dass in Verfassungsschutzberichten auf der Basis eines bloßen Verdachts Verdächtige als extremistisch eingeordnet werden, dann ist es möglich, dass der Verfassungsschutz manche Personen (oder Organisationen) als angeblich extremistisch bekämpft, die in Wahrheit verfassungsmäßige Ziele verfolgen. Wenn das der Fall sein sollte, wird in den demokratischen Willensbildungsprozess eingegriffen. Dies ist unfair, unzulässig und gehört verboten. Wenn es so weiter geht, könnte der Verfassungsschutz nach (politischem) Belieben diejenigen als extremistisch „verdächtigen“, die den etablierten Kräften lästig werden. Außerdem darf der Verfassungsschutz im Verfassungsschutzbericht doch nicht über alle Personen (oder Organisationen) berichten, die er rechtmäßigerweise beobachtet.
Ich dachte, der Verfassungsschutzbericht ist ein Ergebnis- und kein Tätigkeitsbericht?! Die bisherige Vorgehensweise des Verfassungsschutzes und seiner Verdachtsberichterstattung verstößt nicht nur gegen das Verfassungsschutzgesetz, sondern auch gegen die Grundrechte der Verdächtigten. Im Verfassungsschutzbericht muss hervorgehoben werden, dass die Verfassungsfeindlichkeit der verdächtigten Person (oder Organisation) nicht erwiesen ist. Der Verfassungsschutz verfehlt von vornherein seinen Auftrag, wenn er nur nach Anhaltspunkten sucht, die „für“ die Verfassungsfeindlichkeit einer Person (oder Organisation) sprechen. Der Verfassungsschutz muss genauso in die andere Richtung ermitteln. Es gilt doch zuerst die Unschuldsvermutung.
Fakt ist: Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung benötigt den Schutz vor Verfassungsfeinden, keine Frage. Jede Gesellschaft braucht einen rechtsstaatlichen Verfassungsschutz. Aber Maßnahmen des Verfassungsschutzes, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar sind, schützen nicht die Verfassung, sie schaden ihr. Auch die Gründung von Terrorzellen (Beispiel: NSU) gehören nicht zur Aufgabe eines Verfassungsschutzes.